Was war der Beweggrund, den Verein Kultuhrzeit am Stein aus der Taufe zu heben?
Hartmut Lind: Grundsätzlich ging es mir und meinen Mitstreitern darum, Kultur aus den Museen auf die Straße zu bringen. Unser Anliegen war es zum einen, den Kulturinteressierten die Schwellenangst zu nehmen und sie an öffentlichen Orten zu Kulturveranstaltungen einzuladen. Zum anderen wollten wir die Gemeinde der Kunstschaffenden zusammenbringen, um so den Austausch untereinander zu fördern, Impulse zu setzen und die Schlagkraft durch eine besser koordinierte Zusammenarbeit zu erhöhen. Die Region um Bad Münster am Stein-Ebernburg ist reich beschenkt, was landschaftliche Reize betrifft. Unser Ziel war es, diesen Standortvorteil mit einer lebendigen Kulturszene noch weiter auszubauen. Dabei war es uns immer wichtig, zusammen mit Politik und Wirtschaft in einem partnerschaftlichen Verhältnis zu agieren. Kultur hat einen bedeutenden gesellschaftlichen Wert und ist zugleich ein Wirtschaftsfaktor, der insbesondere im ländlichen Raum nicht vernachlässigt werden darf. Ein gutes kulturelles Angebot sorgt einerseits dafür, die Region für seine Bewohner attraktiv zu halten und damit der Landflucht entgegen zu wirken. Zum anderen führt die Auseinandersetzung der Künstler mit aktuellen Zeiterscheinungen auch immer wieder zu der Entwicklung neuer Ideen, von welchen letztendlich auch die Wirtschaft profitiert.
KultuhrZeit am Stein war zunächst eine Initiative. Was hat Sie zur Vereinsgründung veranlasst?
Unsere Initiative hatte sich quasi aus eigenen Bordmitteln finanziert. Somit waren die finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Nachdem wir unser Angebot aber mehr und mehr erweiterten, wurden zusätzliche Finanzmittel benötigt. Da die Initiative nicht auf kommunale Fördergelder setzte, bot die Gründung eines gemeinnützigen Vereins die Möglichkeit, Unternehmen anzusprechen, die für ihr finanzielles Engagement eine offizielle Spendenquittung erhielten.
Ging diese Rechnung auf?
Ja, dank des sehr guten Echos auf unsere Veranstaltungen genoss der Verein bald eine respektable Unterstützung sowohl von Seiten der privaten Haushalte als auch der regionalen Wirtschaft. Somit war die Gründung des Vereins von großem Vorteil.
Brachte die Vereinsgründung auch Nachteile mit sich?
Als nachteilig zeigte sich manchmal das feste Korsett der Organisationsstruktur, die eine Vereinsgründung erfordert. Auch wenn unter den Beteiligten ausdrücklich keine hierarchischen Strukturen gewünscht waren, entstanden oftmals ungewollte Hürden in der Ansprache untereinander. Auch nahm der administrative Teil der Vereinsarbeit häufig viel Zeit in Anspruch, die man lieber in Projektarbeit investiert hätte.
Was waren die für Sie wichtigsten Etappen bzw. Meilensteine der Vereinsgeschichte?
Die für mich bedeutendste Veranstaltung war sicherlich die Großveranstaltung „Wieder das Vergessen“ im Jahr 2003. 70 Jahre nach der Bücherverbrennung im nationalsozialistischen Deutschland wollten wir ein Zeichen für kulturelle Vielfalt und Freiheit setzen. Dies gelang mit einer außergewöhnlichen Kombination aus Bluesrock, Lesungen, Musik, Aktionskunst und Vernissage - eine Veranstaltung, für die eigens auch ein Film gedreht wurde. Ein weiteres Highlight war sicherlich die KulturShow „Nahe Sterne“ im Jahr 2006 in Idar-Oberstein und Bad Kreuznach, ein Gemeinschaftsprojekt mit Politik und Wirtschaft, das ein attraktives Potpourri regionaler Kunstdarbietungen hervorbrachte und einen wichtigen Anstoß zu einer gemeinsamen regionalen Identität gab. Nicht zu vergessen die „Opera Nova“ im Mainzer Dom im August 2005. Hier erhielten Bibeltexte aus dem Alten Testament und Texte des Komponisten Werner Dannemann ein neues Klangbild und die Kulisse des Doms zu Mainz bot dabei einen nachhaltig wirkungsvollen Rahmen.
2006 haben Sie das Amt des Vorsitzenden niedergelegt und sich seither aus der Vereinsarbeit zurückgezogen. Stimmt Sie Ihr Ausstieg aus der Kulturarbeit nicht doch ein bisschen wehmütig?
Nein, ganz und garnicht. Die Zeit, die ich für den Verein tätig war, war für mich persönlich eine große Bereicherung, auch wenn dabei manch schwierige Klippe umschifft werden musste. Neben den unzähligen Veranstaltungen, die viel Freude brachten, haben sich viele persönliche Kontakte entwickelt, die bis heute weiter wirken. Es war eine intensive Zeit, die in dieser Phase meines Lebens einen sehr guten Platz hatte. Ich bin glücklich über das Erreichte und freue mich heute über die Fortführung der kulturellen Arbeit. Der Erfolg war jedoch immer ein Gemeinschaftsprodukt der Initiatoren Robert Simsa, Jürgen Locher, Anouschka Wasner und Michael Grail sowie dem Mitstreiter Thomas Hüser, dem nachfolgenden Vorsitzenden des Vereins.
Der Verein feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Welche Aktivitäten würden Sie sich seitens des Vereins noch wünschen?
Ich würde mir wünschen, die generationsübergreifenden Angebote weiter zu stärken. Während meiner Zeit als Vorsitzender war ein bedeutender Bestandteil immer auch die Ansprache von Jugendlichen und Kindern, sei es mit Förderprojekten wie der „New-Comer-Contest“, bei welchen sich Jugendbands einem Wettbewerb stellen konnten oder spezielle Kinder-Kunst-Angebote wie die Malschule. Auch wurde mit der Einrichtung der Kulturförderspende Petra Kerth ein Förderpreis für junge Künstler ins Leben gerufen, über dessen Fortsetzung ich mich freuen würde.
Herr Lind, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Emily Paersch.